P a r t e i u n a b h ä n g i g e - k o m m u n a l p o l i t i s c h e - V e r e i n i g u n g

Rede zum Haushalt 2023 in der Sitzung des Stadtrates am 08.02.2023:

Sehr geehrte Bürgermeisterin,

sehr verehrte Damen und Herren,

liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,

die Lage in den kommunalen Haushalten verdüstert sich weiter. Der positive Trend der Stadt Geilenkirchen der Jahre 2017 bis 2019, in denen noch aufgrund der guten konjunkturellen Lage ein Überschuss erwirtschaftet werden konnte, endete jäh mit dem Beginn der Corona-Pandemie. Aktuell machen weiterhin der Krieg in der Ukraine sowie die dadurch ausgelöste hohe Inflationsrate den kommunalen Haushalten schwer zu schaffen. Hinzu kommen noch die finanziellen Belastungen durch die klimabedingten zusätzlichen Anforderungen, die notwendige Schaffung von zusätzlichen KiTa-Plätzen und ein nicht zu unterschätzender Mangel an Personal- und Fachkräften. Auch in Geilenkirchen gelingt der Haushaltsausgleich im Jahr 2023 nicht. Das Jahresergebnis summiert sich auf einen Fehlbetrag in Höhe von knapp 4 Millionen Euro. Und selbst dieses Ergebnis ist nur erreichbar, da das NKF-Covid-19-Ukraine-Isolierungsgesetz es möglich macht, einen Aufwand von fast 5 Millionen Euro zu isolieren, so dass er nicht das Jahresergebnis belastet.

Ab dem Jahr 2026 fließen die seit 2020 isolierten Aufwendungen jedoch wieder in den Haushalt in Form von Abschreibungen ein. Egal, für welches Abschreibungsmodell man sich dann entscheiden wird: Der kommunale Handlungsspielraum wird dadurch in jeden Fall erheblich reduziert. Schon jetzt ist daher klar, dass Politik und Verwaltung Antworten darauf finden müssen, wie der Haushalt zukünftig strukturell besser aufgestellt werden kann.

Haushaltsanträge

Die von der Grünen Fraktion darauf gefundene Antwort ist es, Bildung, Sicherheit und Ordnung sowie Demokratie einzuschränken. Diesen Ansatz halten wir überwiegend für falsch!

Stichwort Bildung: einem langjährigen Partner wie dem Bistum Aachen als Schulträger des Gymnasiums in Geilenkirchen gewissermaßen über Nacht die städtischen Zuschüsse entziehen zu wollen ist nicht nur schlechter Stil und beschädigt das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Stadt Geilenkirchen, sondern funktioniert auch nur dann, wenn man unterstellt, dass die finanzielle Lücke komplett vom Bistum geschlossen wird. Sollte das nicht der Fall sein, ergeben sich daraus dramatische Konsequenzen angefangen von einer Verschlechterung der Bildung bis hin zu einer Schulschließung. Nüchtern betrachtet spart diese Partnerschaft der Stadt Geilenkirchen zudem bares Geld: Ohne das bischöfliche Gymnasium wären wir nämlich rechtlich dazu verpflichtet, entweder ein städtisches Gymnasium vorzuhalten, oder aber uns am Kreisgymnasium in Heinsberg zu beteiligen. Beides hätte die Konsequenz, dass die Belastung des städtischen Haushalts weit höher wäre als die Summen, die wir zur Zeit als Zuschuss an das Bistum überweisen.

Stichwort Kommunaler Ordnungsdienst: Zu den wesentlichen Faktoren einer attraktiven Stadt, in der Menschen gerne wohnen, einkaufen oder sich aufhalten, gehören primär Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung. Schon die ersten Einsatztage des auf Antrag von CDU, Bürgerliste und FDP beschlossenen kommunalen Ordnungsdienstes haben gezeigt, dass dieser einen äußerst positiven Effekt auf die Stadt hat. Zudem handelt es sich bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in vielen Fällen um eine kommunale Pflichtaufgabe, und nicht - wie oft vermutet - um eine Angelegenheit der Polizei. Pflichtaufgaben aber müssen unabhängig von der finanziellen Situation einer Stadt durchgeführt werden! In hinreichender Qualität kann dies nur dann erfüllt werden, wenn auch das notwendige Personal dafür zur Verfügung steht. Nach wie vor sehen wir die dringende Notwendigkeit und Verantwortung, in diesem Bereich verstärkt tätig zu sein, denn wir wollen unsere Bürgerinnen und Bürgern schützen und ihnen eine saubere und sichere Stadt bieten. Letztlich ist dies auch gelebte Wirtschaftsförderung, denn nur eine sichere und saubere Stadt sorgt dafür, dass Handel und Gastronomie funktionieren können und man sich gerne in der Stadt aufhält.

Stichwort Demokratie: Eine Verkleinerung des Rates würde objektiv zwar zunächst Einsparungen generieren und ist somit zumindest grundsätzlich eine wirksame Möglichkeit, den Haushalt zu entlasten. Allerdings ist es für die Akzeptanz der Demokratie bedeutend, dass in einem Rat alle wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen einer Stadt vertreten sind, und zwar möglichst in Fraktionsstärke, da ihnen erst dadurch gewisse demokratische Rechte zustehen. Bei der aktuellen Größe des Rates in Geilenkirchen wird hierfür ein Stimmenergebnis von etwa 5,3 Prozent benötigt, was annähernd auf Augenhöhe der 5-Prozent-Hürde für den Bundestag liegt. Bei einer Verkleinerung des Rates auf 30 Ratsmitglieder würden hingegen schon etwa 6,7 Prozent der Stimmen benötigt. Dadurch würden aus unserer Sicht wesentliche gesellschaftliche Gruppen von der demokratischen Meinungsbildung ausgeschlossen. Genau das ist jedoch in Zeiten von Politikverdrossenheit und Populismus gefährlich und würde der Demokratie als ganzes schaden. Zudem bedeutet eine Verkleinerung des Rates auch, dass es weniger, dafür aber größere Wahlbezirke geben würde. Es besteht dadurch die Gefahr, dass die Nähe der Abgeordneten zu bestimmten Stadtteilen abnimmt und einige Stadtteile nicht mehr ausreichend repräsentiert werden. In Abwägung dieser Argumente sind wir der Meinung, dass eine Reduzierung auf 30 Ratsmitglieder demokratieschädlich ist und lehnen es ab.

Gleichwohl ist aber auch uns bewusst, dass wir nach Möglichkeiten suchen müssen, dauerhaft mehr Einnahmen zu generieren und auf der anderen Seite unnötige Ausgaben zu reduzieren.

Dabei kommt man an einem Blick auf die Personalkosten nicht herum.

Personalkosten

Sie stellen mit 22 Millionen Euro die zweitgrößte Aufwandsart im Ergebnisplan dar. Die Steigerung in diesem Bereich ist mit 9,46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erheblich, allerdings trägt hierfür nicht allein die Stadt Geilenkirchen die Verantwortung. Beispiel Wohngeld: Durch das vom Bund beschlossene neue Wohngeldgesetz hat sich die Anzahl der Antragsberechtigten etwa verdreifacht. Wo bisher also ein Mitarbeiter mit der Bearbeitung der Anträge ausgelastet war, werden zukünftig drei benötigt. Obwohl es sich um ein Bundesgesetz handelt, erfolgt die Antragsbearbeitung durch die Kommunen. Zwar werden den Kommunen die Wohngeldzahlungen als solche vom Land ersetzt, die Personalkosten bleiben aber vollumfänglich bei den Kommunen. Eine Entscheidung, die auf Bundesebene getroffen wurde, führt somit zu Personalkostensteigerungen bei den Kommunen.

Hierin wird ein Hauptproblem der kommunalen Finanzen deutlich: Die kommunale Selbstverwaltung hängt wesentlich davon ab, dass die Kommunen von Bund und Ländern mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet werden. Dies ist – insbesondere in Nordrheinwestfalen – seit vielen Jahren nicht mehr der Fall. Nahezu alle Kommunen konnten in den letzten Jahren ihre Konsolidierungsverpflichtungen nur erfüllen, indem sie notwendige Investitionen unterlassen oder aufgeschoben haben. Der kommunale Finanzausgleich muss daher zwingend neu justiert werden. Ein Lösungsansatz läge darin, die Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen zugunsten der Kommunen zu verändern. Dazu müsste aber bei den großen Parteien, die in Land und Bund die Entscheidungen treffen, der politische Wille zu Veränderungen vorhanden sein. Auf Dauer werden die Entscheidungsträger hier nicht um eine Lösung herumkommen.

Online-Zugang zu Verwaltungsleistungen

Doch es wäre zu leicht, die Verantwortung allein auf den Bund und die Länder zu schieben. Auch wir als Stadt Geilenkirchen müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir das vorhandene Personal effizienter einsetzen und weitere Personalkostensteigerungen in Zukunft vermeiden. Aus unserer Sicht ist hier die Digitalisierung ein wichtiger Hebel. Durch das Onlinezugangsgesetz sind Kommunen eigentlich schon seit Ende 2022 verpflichtet, alle Verwaltungsleistungen über ein online-Verwaltungsportal anzubieten. Jedwede Verwaltungsleistung muss über das Internet beantragbar sein. Befüllbare PDF-Dokumente reichen hier nicht aus, die Daten müssen auch online an die Kommunen übermittelt werden können und sollten dann im besten Fall direkt in die entsprechenden EDV-Fachverfahren einfließen. Nach einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbandes Bitkom fordern 9 von 10 Deutschen mehr Tempo bei der Digitalisierung von Städten und Gemeinden.

Die Digitalisierung ist aber nicht nur gelebte Bürgerfreundlichkeit. Zugleich würde sich der Erfassungsaufwand für die Verwaltungsmitarbeiter erheblich reduzieren. Die Daten müssten nicht mehr per Hand erfasst werden, sondern lägen schon in elektronischer Form direkt im Fachverfahren vor. Dies wiederum würde die Möglichkeiten von Homeoffice fördern und könnte somit Mietkosten für Büroräume reduzieren. Zugleich könnten mit der Digitalisierung auch die Prozesse überdacht werden. Es steht die Frage im Raum: Sind die Verfahren, Entscheidungswege und Strukturen noch zeitgemäß? Die Digitalisierung muss zu einem Innovations- und Effizienzschub in der Verwaltung führen.

Von diesem „Idealzustand“ sind wir bei der Stadt Geilenkirchen (wie auch bei allen anderen Kommunen) leider noch weit entfernt. Umso wichtiger ist es, in diesem Bereich nun schnell voran zu kommen und die Entwicklung der Online-Dienstleistungen mit aller Kraft voranzutreiben. Wir fordern die Bürgermeisterin auf, hier - gegebenenfalls auch in Zusammenarbeit mit einem Rechenzentrum wie der RegioIT - unverzüglich tätig zu werden. Mit der Digitalisierung lässt sich langfristig Geld sparen!

Wirtschaftsförderung

Des weiteren muss unsere Stadt insgesamt attraktiver werden. Die Entwicklung des Rewe-Areals ist hier ein wichtiger Baustein. Die dort im Augenblick vorhandene Brache muss so schnell wie möglich beseitigt werden, und zwar mit einem innovativen, der besonderen Lage angepassten Bebauungskonzept. Eine attraktive Bebauung mit einigen Ankermietern könnte zu einer Belebung der Innenstadt führen und somit auch die Einnahmen für die Stadt verbessern. Wir wollen hier enger in den Informationsfluss der Verwaltung eingebunden werden und sehen es auch als notwendig an, dass die Information der Bürgerinnen und Bürger verbessert wird. Die Menschen in Geilenkirchen werden in Anbetracht des „gefühlten“ Stillstandes zurecht langsam ungeduldig und fordern hier einen raschen Fortschritt, zumindest aber mehr Informationen.

Mit der Wirtschaftsförderung, wie sie sich derzeit darstellt, sind wir auch insgesamt ein wenig unzufrieden. Ein Beispiel: 2021 hat die Stadt Geilenkirchen aus dem Sofortprogramm Innenstädte eine Bewilligung über knapp 110.000 Euro für einen Verfügungsfonds Anmietung vom Land NRW erhalten. Beabsichtigt war, dass hiermit neue Geschäftsansiedlungen unterstützt werden, indem für eine gewisse Zeit die Mieten zu 1/3 übernommen werden sollten. Nach unserer Wahrnehmung hat dies aber nicht funktioniert. Die vorhandenen Mittel sind in Geilenkirchen weitgehend auf andere, deutlich weniger sinnvolle Projekte übertragen worden, da die ursprünglichen Adressaten nicht erreicht wurden.

Wenn aber der strukturelle Haushaltsausgleich in absehbarer Zeit gelingen soll, ist es unabdingbar, dass hierzu auch die Wirtschaftsförderung durch das erfolgreiche Ansiedeln neuer Handels- und Gewerbebetriebe beiträgt. Wir brauchen zündende Ideen, die Handel und Gewerbe in Geilenkirchen sowohl für Gewerbetreibende wie auch für Kunden attraktiv machen. Besonders die Gerbergasse und der Friedlandplatz benötigen hier aktuell viel Aufmerksamkeit.

Zugleich müssen wir dafür sorgen, dass Förderprogramme zukünftig noch besser ausgeschöpft werden. Damit meinen wir nicht, dass wir uns an jedem Förderprogramm – egal ob sinnvoll oder unsinnig – beteiligen müssen. Im Gegenteil: sinnlose Geldverschwendung, wie zum Beispiel beim letztlich gescheiterten Bürgerhaus in Teveren, muss zukünftig noch konsequenter als bisher vermieden werden. Vielmehr geht es darum, ein wachsames Auge auf passende Förderprogramme zu legen, um auf diese Art und Weise Landes- und Bundesmittel für ansonsten nicht zu bewerkstelligende Ausgaben zu akquirieren. Wir begrüßen es, das Bürgermeisterin Ritzerfeld in diesem Bereich durch die Schaffung eines Fördermittelmanagments bereits tätig geworden ist, und hoffen in Zukunft darauf, dass Förderpotentiale noch besser als bisher gehoben werden können.

klimaresiliente Stadt / barrierefreie Stadt

Eine weitere große Aufgabe wird es für uns sein, unsere Stadt und ihre Bewohner besser vor Extremwetter zu schützen. In Zukunft werden diejenigen Städte, die sich bereits jetzt auf die zu erwartenden Klimaveränderungen vorbereiten, kraftvoll und zügig auf das Auftreten von Herausforderungen wie Hitzeperioden, Dürren, Stürmen und Überschwemmungen reagieren können. Klimaresilienz ist dabei ein andauernder Prozess, der gemeinsam mit den Bürgern gegangen werden muss. Flankiert werden muss dieser durch gut vernetzte Alarmpläne und trainierte Prozesse, die im Schadensfall Leib und Leben unserer Bürger schützen und Sachschäden verringern.

Bei zukünftigen Baumaßnahmen müssen wir immer ein Blick auf die möglichen Folgen der Klimaveränderungen werfen und Maßnahmen einbeziehen, die diesen entgegenwirken. Dazu gehört unter anderem die Verschattung von Plätzen durch Bäume oder die Reduzierung von Flächenversiegelungen. Die Stadt Geilenkirchen muss eine Strategie entwickeln, wie Klimaresilienz zukünftig in unserer Stadt umgesetzt werden kann.

Selbstverständlich muss dies im Einklang mit einer weiteren Verbesserung der Barrierefreiheit geschehen. Hier wollen wir unseren bisherigen Einsatz für eine barrierefreie Stadt weiter fortführen. In den vergangenen Jahren konnten wir in diesem Bereich gemeinsam deutliche Fortschritte erreichen, die wir auch in Zeiten knapper Kassen nicht wieder hergeben wollen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es hier noch einiges zu tun gibt!

Dank und Fazit

Zu guter Letzt möchte ich mich im Namen der Bürgerliste bei der ausgeschiedenen Kämmerin, Frau Feratovic, und ihrem Team in der Kämmerei für die geleistete Arbeit bedanken. Ihrem Nachfolger, Herrn Nilles, wünschen wir für die Zukunft alles Gute. In den kommenden Jahren wird es sicher nicht einfach, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Zudem obliegt es gerade ihm, jeden einzelnen Euro bis auf die Zähne zu verteidigen.

Der vorgelegte Haushalt ist alles andere als erfreulich. Er macht deutlich, dass Verwaltung und Politik in den kommenden Jahren erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um langfristig zu einem strukturell ausgeglichenem Haushalt zu gelangen.

Gleichwohl erhält er aus unserer Sicht weder Fehler noch völlig unnötige Ausgaben, so dass wir ihm heute mit schwerem Herzen zustimmen werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 

Christian Kravanja

Fraktionsvorsitzender


(Sie können die Rede hier auch als PDF-Dokument herunterladen)

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